Jungschwuppen Mittwochsclub am 03. September 2014: Kopf oder Zahl

Kopf oder Zahl

Hey Jungs !

Ein Artikel von Stern.de vom 30. August 2014  („Du musst ausziehen, weil du schwul bist!“) brachte uns zum Nachdenken. Mich versetze er in die Vergangenheit, in eine Zeit, in der mir, Clément, ein Freund zum ersten Mal von seiner Bisexualität erzählte. Danach fragte ich ihn ironisch, ob er sich nicht einfach entscheiden könnte für „Mann oder Frau“. Mein bisexueller Freund erwiderte mit der ebenso ironischen Frage: „Könntest du dich jeden Tag mit nur Salz zufrieden geben?“ Hinzufügend: „Entscheide du dich ab heute endgültig zwischen Salz und Zucker“. Danach brachten wir unbekümmert in Lachen aus.

Scherz beiseite, ich könnte „vermutlich“ schon täglich, ungeachtet allgemeiner gesundheitlicher Kodexe, nur Salziges essen. Wenn ich es wollte. Aber die Sexualität eines Menschen ist viel komplexer als der Appetit fürs Essen. Sie ist Teil des menschlichen Charakters, Teil der Identität. Das haben manche leider immer noch nicht begriffen.

In den USA zum Beispiel kämpfen seit Jahrzehnten LGBTs gutgesinnte Forscher eifrig gegen homophobe Kollegen. Es geht um die Frage: Ist Homosexualität genetisch bedingt? Diese Frage ist für beide Seiten überaus wichtig, da Minderheiten in den USA, laut Gesetz, Schutz bekommen nur, wenn -vor allem- der Grund ihrer Ausgrenzung genetisch bedingt ist (siehe Linktipp2). Dunkelhäutige Menschen gehören demnach zu diesen Minderheiten aber die LGBTs nicht. Letztendlich wiedersprechen sich  „die Studien über eine homosexuelle Gene“ gegenseitig  je nachdem, ob die Forscher sich für oder gegen die Homo-Ehe aussprechen.

Vielleicht gibt’s tatsächlich eine homosexuelle Gene. Aber, ist das von Bedeutung? Meine Hautfarbe ist zwar genetisch bedingt, sie zwingt mich aber keineswegs zwangsläufig dazu Dinge genauso zu empfinden wie andere Dunkelhäutige. Jeder einzelne Mensch ist ein Unikat. Nicht wahr?

Unsere sexuelle Identität ist Teil unseres Charakters, weil sie Einfluss auf unser Empfinden und damit auch auf unsere Reaktionen ausübt. Genauso sinnlos wäre es, meiner Meinung nach, würde man versuchen genetisch zu begründen, weshalb die Erzählungen eines Stand-up-Comedians Franz auf die Palme bringt, Tom wiederum zum Lachen gleichzeitig aber Alex zum Weinen. Warum ist Lukas schwul, sein eineiiger Zwillingsbruder aber nicht? Fragen über Fragen.

Ich sage und schreibe: Zwischen ja und nein liegt die Entscheidung ganz in der Mitte. Genau da, wo Du dich befindest. Da kommen weder die Eltern Daniel Ashley Pierces (siehe Linktipp1) noch irgendwelche US-Forscher in Frage. Also, die Entscheidung bist Du! Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry brachte es in die hübsche Form: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Anders formuliert: Hör auf dein Herz.

Hier aber schlägt unser gemeinsames Herz zweimal pro Woche (mittwochs und freitags) nur für euch. Für eure Freude am Leben und schlicht euer Wohlbefinden. Daher freuen wir uns immer auf euren Besuch!

Es gibt Kaffee, Kakao, zahlreiche Getränke! Wie immer am Mittwoch! Um 18 Uhr!  Im Mann-O-Meter!

Es erwartet euch Clément.

Linktipp1:

http://www.stern.de/familie/leben/erschuetterndes-youtube-video-du-musst-ausziehen-weil-du-schwul-bist-2134562.html#utm_source=facebook-fanpage&utm_medium=link&utm_campaign=310814-1715

Linktipp2 (leider nur auf Englisch):

http://www.youtube.com/watch?v=yMcowZwrIU4

das coming out unter dem tannenbaum ist nicht immer zu empfehlen

beim betrachten der statistiken dieses blogs fällt ins auge, dass gehäuft der beitrag „liebe eltern, ich bin schwul!“ aufgerufen wird. da man nicht davon ausgehen kann, dass im winter mehr menschen ihr coming out haben als im sommer, muss man eher damit rechnen, dass das coming out unter dem weihnachtsbaum angedacht oder geplant wird. nach dem motto: „ich habe da noch ein geschenk (wahlweise: eine überraschung) für euch: ich bin übrigens schwul.“.

familienfeste sind natürlich eine gute gelegenheit, sich über veränderungen oder aufgeschobenes auszutauschen. und eine überraschung mag das coming out unter dem tannenbaum allemal in den meisten familien sein. nur ob es als geschenk an alle verstanden wird, das ist schwer im vorfeld zu klären. ja, das fest der liebe verstärkt manche emotionalen und melancholischen stimmungen. ja, darum könnte auch die bereitschaft bei etlichen zunehmen, sich jetzt endlich zu outen. aber dies will gut überlegt sein.

ich möchte hier niemandem angst machen oder die entscheidung, sich an weihnachten zu outen, ausreden. zwei dinge möchte ich jedoch zu bedenken geben.

  1. weihnachten herrscht in vielen familien der ausnahmezustand. viele sind im vorfeld gestresst, kommen seit längerer endlich einmal ein wenig zur ruhe. wenn die ruhe eintritt geht dies nicht selten mit eher negativen gefühlen einher, da sich das bemerkbar macht, was man die ganze zeit beiseite geschoben hat. zu so einem zeitpunkt dann noch das neue lebenskonzept und die sexuelle orientierung des nächsten verwandten verarbeiten, das kann überfordern und zu unangemessenen reaktionen führen.
  2. derjenige, der sich outet, ist oft auch nicht vollkommen frei von weihnachtlichen erwartungen. die emotionale stimmung zu diesem fest, lässt die erwartungen aneinander anwachsen. menschen erhoffen sich, dass an weihnachten alles ein wenig harmonischer zu geht. untersuchungen widersprechen dem, es nimmt eher der erwartungsdruck zu, wie sich schon beim thema weihnachtsgeschenke zeigt. entspanntere, emotional nicht so aufgeladene momente, eignen sich vielleicht besser, um ein für einen selber sehr wichtiges gespräch mit der familie zu führen. sie erhöhen die chance auf eine gelassenere reaktion.

wer aber seine familie so weit einschätzen kann, dass sie gerade an weihnachten zusammenrückt und raum für schwierigere gespräche gibt, und wer einfach nicht mehr abwarten möchte, sich den anderen zu erklären, für den kann weihnachten auch genau der richtige zeitpunkt sein, sich zu outen.

nur ihr könnt am besten bestimmen, wann ihr euren eltern sagt, dass ihr schwul seid. die obigen zeilen sollen einfach nur eine kleine entscheidungshilfe sein, wenn ihr diesen blog mit der frage zum coming out kurz vor weihnachten aufruft.

ich wünsche euch einfach ein schönes fest,

christof